Sicilienne im Paradis-Konzert

Nein, eine Sicilienne ist nichts zum Essen, obwohl man sich unter diesem Namen durchaus ein süß-bitteres Gebäck vorstellen könnte. Die Sicilienne ist der weibliche französische Begriff für den Siciliano, "eine Satzbezeichnung der Barockmusik für Gesangsstücke, Tanzstücke oder Suitensätze".

 

Flavia Odoroso, Klemens Schnorr, Sonja Korkeala
Flavia Odoroso, Klemens Schnorr, Sonja Korkeala

Und auch wenn die Sicilienne wohl nichts mit Sizilien zu tun hat, könnte sie als heimlicher Titel über einem Konzert stehen, das am Freitag, 12. Mai 2017 in der Kirche Chiesa Nostra Signora delle Nazioni in Palermo stattfand. Den Rahmen des Konzerts für Violine und Orgel bildete das Festival "La Settimana Europea a Palermo".

Es spielten Sonja Korkeala (Violine) und Klemens Schnorr (Orgel), der das Konzert gemeinsam mit Don Felice Lupo und Flavia Odoroso organisiert hatte.

Auf dem Programm standen Werke von Antonio Vivaldi, Jeremiah Clarke, Arcangelo Corelli, Georg Friedrich Händel, Giuseppe Arrigo, Josef Rheinberger, Giacomo Meyerbeer und Jules Massenet.


Und: die Sicilienne von Maria Theresia von Paradis.

Zwar gibt es Zweifel an ihrer Autorschaft, aber ebenso gibt es Zweifel an diesen Zweifeln. Fest steht, es ist nicht hinreichend belegt, dass die Komposition von Paradis stammt.

Aber ohne jeden Zweifel kann man Paradis eine der ungewöhnlichsten Frauen der Mozartzeit nennen

Die am 15. Mai 1759 in Wien geborene Paradis war Pianistin, Sängerin (Sopran), Komponistin und Musikpädagogin. Seit ihrer Kindheit war sie blind.  Nach vielen erfolglosen Behandlungen versuchte 1777 der berühmte Arzt und Magnetiseur Franz Anton Mesmer Maria Theresia Paradis zu heilen.

In ihren "Denkwürdigkeiten aus meinem Leben" schreibt Caroline Pichler (1769–1843):

»Um diese Zeit erregte eine Erscheinung das erstemal ungeheures Aufsehen in Wien. Es war dies der Magnetismus oder eigentlich Mesmerismus; denn Dr. Mesmer war es, der, damals ein schöner, kräftiger, junger Mann (die meisten Magnetiseure, die ich kennen gelernt, vereinten diese Eigenschaften) seine Kunst durch die Wiederherstellung des Augenlichts bei dem blinden Fräulein von Paradis zeigen wollte. Fräulein Therese von Paradis war damals ein Mädchen von 17–18 Jahren, nicht hübsch, aber voll Geist, Herzensgüte und Talent, besonders für Musik, was denn, mit ihrem Unglück zusammengenommen, ihr eine sehr anziehende Persönlichkeit gab, und ihr auch noch in späteren Jahren die Achtung und Liebe aller derjenigen erwarb, welche zu dem engeren Kreise ihrer Freunde gehörten, und unter welche auch ich mich zählen durfte.«

Ihre Blindheit hinderte sie aber nicht daran, als Pianistin durch ganz Europa zu reisen und Konzerte in Linz, Salzburg, Würzburg, Frankfurt am Main, Mannheim, Speyer, Koblenz, Bonn, Karlsruhe, Stuttgart, Regensburg, München, Augsburg, Straßburg, Colmar, Mülhausen, Basel, Zürich, Bern, Lyon, Paris, London, Brüssel, Bamberg, Hannover, Hamburg, Berlin, Leipzig, Dresden, Prag zu geben.

Eine Kritik eines Konzerts in Paris:

»Das Concert Spirituel vom 1. Ostern gewährte unsern Parisern eine seltene Erscheinung. Mlle Paradis von Wien, seit dem zweiten Jahre ihres Alters des Augenlichtes gänzlich beraubet, spielte auf dem Klavecin, und sezte uns alle in Erstaunen. Diese blinde Virtuosin war die erste, welche uns aus dem irrigen Wahne riß, dass das Klavecin in einem großen und weitläufigen Sale keine sonderliche Wirkung machen könne: sie bewies das Gegenteil mit der Stärke ihres Spieles, zu allgemeinem Beifalle. Die junge durch sich selbst so sehr als durch ihre Talente interessante Person ist eine Lehrschülerin des berühmten Kozeluch.« (wikipedia)

Neben ihrem Wirken als Pianistin und Komponistin gilt Maria Theresia von Paradis als Pionierin der Musikausbildung für Blinde.

Maria Theresia Paradis starb am 1. Februar 1824 in Wien.