Hommage an das Rosé-Quartett (2)

60 Jahre Streichquartett

"Der märchenhaft junge Konzertmeister wurde auch ein märchenhaft junger Quartettprimarius." (Julius Korngold)

Kaum zum Konzertmeister ernannt, gründete Arnold Rosé 1882 ein Streichquartett, das im Januar 1883 sein erstes Konzert gab. Neben Arnold Rosé, der in der langen Zeit, die das Quartett existierte, stets 1. Violine spielte, gehörte zur ersten Besetzung auch Arnolds älterer Bruder Eduard (Violoncello).

Schnell wurde das Rosé-Quartett zu einem der bekanntesten Streichquartette in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es bestand 54 Jahre, von 1882 bis 1936. Nach der Emigration Rosés nach London wurde das Quartett 1939 wiederbelebt. Das letzte Konzert des Rosé-Quartetts fand 1945 statt. Arnold Rosé hat somit eindrucksvolle 60 Jahre als Geiger und Primarius gewirkt.

Rosé-Quartett ca. 1920. Paul Fischer, Arnold Rosé, Anton Ruzitska, Anton Walter. Foto: Bibliothèque nationale de France. Domaine public
Rosé-Quartett ca. 1920. Paul Fischer, Arnold Rosé, Anton Ruzitska, Anton Walter. Foto: Bibliothèque nationale de France. Domaine public

Über das erste Konzert des Quartetts in Wien schrieb der Musikkritiker Julius Korngold:

"Am 22. Jänner 1883 trat die junge Rosé-Vereinigung im Bösendorfer-Saale an die Öffentlichkeit;

(Schon im ersten Konzert präsentierte Rosé eine Novität, ein Werk des Tschechen Zdenko Fibich)."

Das war ein Charakteristikum des Quartetts: Rosé und seine Mitspieler fühlten sich der klassischen Wiener Tradition verpflichtet, waren aber auch offen für unbekannte Werke und für die Komponisten der Moderne, die sich einer heute unvorstellbaren Häme und blanker Aggression zu erwehren hatten.

Besonders intensiv setzte sich Rosé für die Werke Arnold Schönbergs ein. In Wien kam es zu legendären Aufführungen, bei denen das Publikum in Tumulte ausbrach, während Rosé seelenruhig und mit großer Konzentration seine Mitspieler ins Ziel führte.

Der Aufruhr, den die Uraufführung seines zweiten Streichquartetts im Dezember 1908 im Bösendorfersaal in Wien auslöste, bezeichnete Schönberg später als den größten Skandal, den er je erlebt hatte.

Während des Konzerts begann eine Clique von Schönberggegnern, mit Gelächter, Zischen und Trampeln  den Vortrag des Rosé-Quartetts und der Sopranistin Marie Gutheil-Schoder zu stören. Der Lärm wurde immer lauter, die Störer skandierten Parolen wie "Aufhören!", "Nicht weiterspielen". Aber das Rosé-Quartett ließ sich nicht davon abhalten und führte das Werk bis zum Ende auf.

Konzertprogramm Rosé-Quartett 1912. Foto: Österreichische Nationalbibliothek Bildarchiv
Konzertprogramm Rosé-Quartett 1912. Foto: Österreichische Nationalbibliothek Bildarchiv

Nachträglich zu Rosés 60. Geburtstag und seiner Ernennung zum Hofrat gratulierte Schönberg 1923 dann mit "wärmster Dankbarkeit für viele schöne Stunden", und mit der Hoffnung, dass es Rosé möglich sein möge, "noch viele Jahre so zu wirken, wie es uns bisher Freude bereitet und Achtung abgerungen hat".

(Das Zitat stammt aus der umfangreichen Datenbank des Arnold Schönberg Center Wien, in dem ein Großteil der über 20.000 Briefe von und an Schönberg als digitale Kopie zugänglich ist.)

Inwieweit das Engagement Rosés für Arnold Schönberg von Gustav Mahler beeinflusst war, ist schwer zu sagen. Mahler hielt sehr viel von Schönberg, auch wenn er, wie er sagte, dessen Musik nicht verstand. Aber seiner Frau Alma trug er noch auf dem Sterbebett auf, Schönberg zu unterstützen. Was Alma, wie man dem Briefwechsel zwischen ihr und Schönberg entnehmen kann, sehr engagiert und erfolgreich tat. Vielleicht gab Mahler seinem Schwager Rosé einen ähnlichen Auftrag.

Uraufführungen

Eine kleine, unvollständige Liste der Uraufführungen durch das Rosé-Quartett zeigt dessen Engagement für die damals neue Musik:

Johannes Brahms

Streichquintett op. 111, 1890

Arnold Schönberg

Sextett "Verklärte Nacht", 1902

Streichquartett Nr. 1 op. 7, 1907

Kammersymphonie Nr. 1 op. 9, 1907 (mit Mitgliedern des Wiener Hofopernorchesters)

Streichquartett Nr. 2, 1908  (mit Marie Gutheil-Schoder, Sopran)

Hans Pfitzner

Streichquartett Nr. 2, 1903 (Alma Mahler gewidmet)

Klavierquintett op. 23, 1908 (in Berlin, mit Pfitzner am Klavier)

Erich Wolfgang Korngold

1917 Streichsextett op. 10

1924 Streichquartett Nr. 1 (das Werk ist Arnold Rosé und seinem Quartett gewidmet)

Karl Weigl

1910 Streichquartett Nr. 3

1907 Streichsextett d-Moll

Keine Uraufführung, aber die erste öffentliche Aufführung von Weigls

"Fünf Lieder für Sopran und Streichquartett" fand 1937 im Brahms-Saal in Wien statt.

Julius Korngold, Musikkritiker und Vater des Komponisten Erich Wolfgang Korngold gab 1932 ein Bändchen zu Ehren von Arnold Rosé und dem Rosé-Quartett heraus.

Hymnisch beschreibt er das Ensemble:

"Der Klang des Rosé-Quartettes! Alle Welt weiß, was das bedeutet: Wohllaut ohne Weichlichkeit, ein geschmeidiges Fließen, Reinheit und Abgetöntheit, orchestrales Stürmen und blumenhafte Zartheit. Das Rosé-Quartett war natürlich nicht sofort das Rose-Quartett, (…) recht zu blühen begann es, als ihm langjährige Zusammensetzung mit Fischer, Ruzitska und vor Allem mit dem Meistercellisten Friedrich Buxbaum stetige Entwicklung und ungehemmte Vertiefung ermöglichte. Auch geht man kaum fehl, die höchste Entfaltung von Rosés Begabung auf ein persönliches Erleben zurückzuführen. Alle seine Kräfte reiften, als Gustav Mahler, dessen Schwager er wurde, in sein Leben trat. Der geniale Dirigent, der in die tiefsten Schächte der Musik eindrang, zog den genialen Quartettspieler nach." (Julius Korngold)

Foto: Österreichische Nationalbibliothek Bildarchiv
Foto: Österreichische Nationalbibliothek Bildarchiv

 

Arnold Rosé mit seinem Quartett 1931. (Arnold Rosé, Paul Fischer, Anton Ruzitska, Anton Walter). (3)

Konzertreisen führten das Rosé-Quartett nach ganz Europa und 1928 auch in die USA. Während der gesamten Zeit seines Bestehens war Arnold Rosé Primarius. Auf den anderen drei Positionen wurde gewechselt, am längsten war die Cellist Friedrich Buxbaum Mitglied des Quartetts. Nach 54 Jahren löste sich das Quartett 1936 auf. In der Emigration in London wurde es 1939 ein zweites Mal gegründet, wieder mit Rosé und dem ebenfalls vor den Nazis geflüchteten Buxbaum. Eine zeitlang spielte Alma Rosé zweite Geige.

Auch in London führte das Rosé-Quartett neue Werke auf, so 1941 Dmitri Schostakowitschs drei Jahre altes 1. Streichquartett. Ein Jahr vor Rosés Tod gab das Quartett in London sein letztes Konzert.

Heute kann man das Rosé-Quartett noch auf CDs hören. Mit den Beethoven-Quartetten op. 18/4, op. 74 (Harfenquartett) und op. 131 auf der Doppel-CD "Arnold Rosé and the Rosé String Quartet" vom Label Biddulph. Mit dem Quartett op. 18/5 von Beethoven und einzelnen Sätzen aus Werken von Cherubini und Haydn auf der CD "Quartett Rosé" vom Label Podium. (© MAS)

Zitat Schönberg: Used by permission of Belmont Music Publishers, Los Angeles